Bio wächst wieder. Vor allem im Drogeriemarkt. Aldi investiert in eine Premium-Bio-Marke. Wie können sich Bio-Herstellermarken im Wettbewerb mit Bio-Handelsmarken behaupten? Was muss Bio der Gen Z bieten? Welche Mehrwerte bietet Bio? Positive Positionierung und positive Botschaften aus der EU-Politik. Wie gestalten wir den Markt mutig und inspirieren uns gegenseitig? Die VII. Öko-Marketingtage auf Schloss Kirchberg boten viele Antworten, Anregungen und gemeinsame Ambitionen.
Der Bio-Umsatz 2024 mit erfreulichen Zuwächsen. Chart Prof. Dr. Rüschen (Quelle BÖLW)
Drogeriemärkte treiben den Bio-Umsatz
Prof. Dr. Stephan Rüschen, Professor für Lebensmittelhandel/Food Retail & Studiengangsleiter Retail Management, Duale Hochschule Baden-Württemberg Heilbronn erörterte die Marktzahlen und unterfütterte seine Analyse mit Ratschlägen. Ein Blick auf die aktuellen Marktdaten zur Entwicklung des Bio-Marktes macht deutlich, dass der Umsatz mit Bio-Produkten in Deutschland 2024 die 17-Milliardengrenze überschreiten wird. Im Vergleich zum Vorjahr ist der Biomarkt um rund 8 % gewachsen, während der Umsatz im Gesamtmarkt nur um rund 3 % zulegte. Als großer Gewinner dieses Jahres zeichnet sich mit weitem Abstand der Absatzkanal Drogeriemarkt aus. Ausschließlich mit einem überschaubaren Trockensortiment werden dm, Rossmann und Co einen Zuwachs von fast 20 % erreichen, erläuterte Rüschen. Wobei er dm als Pace Maker und Preis-Leader bezeichnete (z.B. Preissenkung bei Olivenöl). Die Discounter werden laut Rüschen bei 5,6 % Zuwachs liegen, der Naturkostfachhandel bei 4,1%. Betrachtet man allerdings den Absatz in Bezug auf die Anzahl der Geschäfte ist der Naturkosthandel der führende Absatzkanal: 2.000 Verkaufsstellen machen 20 % des Bio-Umsatzes und das trotz der Dominanz von mehr als 30.000 Verkaufsstellen im Lebensmitteleinzelhandel, stellte Kathrin Jäckel vom BNN klar.
Prof. Jan Niessen (l) moderiert Prof. Dr. Stephan Rüschen (Foto: Screenshot Livestream, Karin Heinze)
Bio-Handelsmarken auf dem Vormarsch
Den Anteil der Bio-Handelsmarken an den Sortimenten bezifferte Rüschen auf bemerkenswert hohe 66,8 %, mit einem Zuwachs von 14,2 % seit 2020! Zur Frage wie sich Bio-Marken gegen diese Vormacht der Handelsmarken behaupten können, wurden für die aktuelle Studie Interviews mit Marktakteuren geführt. Rüschen leitete die Studie und stellte die zusammengefassten Ergebnisse vor.
Exponentieller Zuwachs bei den Handelsmarken in den letzten Jahren. Chart Prof. Dr Rüschen
Positive Positionierung und Me-Narrativ
Als probates MIttel für Hersteller ihre Marke stark gegenüber den Handelsmarken aufzustellen, rieten die Befragten zum einen bei Marketingmaßnahmen die positive Positionierung zu betonen und Alleinstellungsmerkmale wie etwa regionale Rohstoffe zu setzen, um sich zu differenzieren. Zum anderen empfahl er beim "Me-Narrativ" in erster Linie auf individuelle Benefits von Bio zu setzen wie "bei Bio-Produkten genieße ich authentischen Geschmack" oder " mit Bio tue ich etwas für meine Gesundheit". Die in der Vergangenheit gerne genutzten Narrative von Umweltschutz und Klimarettung, die eher Verzicht implizieren würden neue Zielgruppen aktuell nicht ansprechen, so Rüschen.
Als Positivbeispiele nannte er unter anderem die witzig-frechen Claims auf den Verpackungen von Follow Food "Unsere Zukunft ist eine Sünde wert" oder Curry kichert – Planet lächelt". Am zweiten Konferenztage wurden als Best Practice der Foodtruck von Bauck und der Bar-Container für Festivals von Voelkel vorgestellt, um neue Zielgruppen für Bio anzusprechen.
Bar-Container und Spezial-Shot beim weltgrößten Heavy-Metal in Wacken (Foto aus der Präsentation von Voelkel)
Auch ALDI mit Foodtruck
Die Mutter der Discount-Idee hat mit "Nur, nur Natur" vor etwa einem Jahr seine zweite Bio-Marke gelauncht. In Kirchberg stellte Philipp Skorning, Group Director Buying / National Buying ALDI SÜD das Konzept, die Hintergründe und die Herausforderungen vor. Die Marke stehe für Genuss, höchste Rezeptansprüche und kompromisslos hohe Bio-Qualität, führte er aus. Außerdem unterstützt ALDI das Naturland Biodiversitäts-Programm. Mit diesem Bündel an Maßnahmen hat ALDI die meisten Marketing-Ratschläge berücksichtigt, um seine neue Bio-Marke voranzubringen – derzeit ca 60 Produkte aus verschiedenen Warengruppen.
Chart aus der Präsentation. Screenshot.
Bio-Vermarktung zwischen Fachhandel und Discounter
In seiner Begrüßung hatte Rudolf Bühler, Vorstand der Stiftung „Haus der Bauern“ bereits das Zielergebnis formuliert: „Wir wollen die gemeinsame Weiterentwicklung der Bio-Branche als einzig zukunftsfähige Form einer nachhaltigen Bewirtschaftung unserer natürlichen Lebensgrundlagen.“ Das es nicht um ein Gegeneinander, sondern um ein Miteinander der diversen Vermarktungswege gehen sollte, war während der Tagung im Spirit und in der positiven Begeisterung zu spüren. Gemeinsam wolle man den Bio-Markt voranzubringen, so das vielfache Bekenntnis. ALDI-Manager Skorning erklärte, jeder solle sich hochwertige Bio-Lebensmittel leisten können und Aldi wolle „Verantwortung für ein lebenswertes Morgen übernehmen“.
Voller Saal (220 Teilnehmer) und rege Diskussionen bei den VII. Öko-Marketingtagen in Kirchberg (Screenshot Karin Heinze)
Freiwillige Ökosystemleistungen für die Gesellschaft
Die Diskrepanz zwischen der Marktleistung und dem Ressourcenverbrauch ist eklatant! Laut einer aktuellen Studie steht jährlich 49 Milliarden Euro Marktleistung der konventionellen Landwirtschaft ein Ressourcenverbrauch von 92 Milliarden Euro gegenüber. Bio hingegen schafft gesellschaftliche Mehrwerte, angefangen von Bodengesundheit, Biodiversität und Wasserschutz bis hin zu gesunden Lebensmitteln. Deshalb fordert die Bio-Branche schon lange eine Vollkostenrechnung. Der Fachhandel nimmt aus Sicht von Tina Andres, Vorsitzende des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), eine wichtige Schnittstelle zwischen Erzeugern, Herstellern und Verbrauchern ein, um die Einzigartigkeit, Transparenz und Regionalität der Produkte zu vermitteln und die Wertschöpfungskette zu diversifizieren.
Autorin: Karin Heinze
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