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„Bio wirkt!“…positiv auf den Boden

Aktualisiert: 11. März 2020

Der Kongress-Schwerpunkt der BIOFACH 2020 beschäftigt sich unter der Überschrift „Bio wirkt!“ mit der positiven Wirkung einer ökologischen Wirtschaftsweise. Das zweite Gespräch der BIOFACH-Interviewserie mit dem Agrarwissenschaftler und Bodenexperten Prof. Dr. Bernhard Freyer, Leiter des Instituts für Ökologischen Landbau an der Universität für Bodenkultur (BOKU), Wien, beschäftigt sich mit den positiven Effekten von Bio für den Boden (Interview in English).



Boden ist ein wertvolles Gut, eine der wertvollsten Ressourcen, die wir haben. Boden ist die Grundlage für die Erzeugung unserer Lebensmittel. Laut FAO (Food and Agriculture Organization of the United Nations) sind schon ein Drittel der Böden weltweit degradiert. Bodendegradation bedeutet eine dauerhafte oder irreversible Veränderung von Böden oder deren Verlust. Tatsache ist, dass es rund 1.000 Jahre dauert, um 2 bis 3 cm Humusschicht aufzubauen. Nachgewiesenermaßen tragen die Methoden des Ökolandbaus zur Bildung von wertvollem Humus bei. Das erhöht nicht nur die Bodenfruchtbarkeit, sondern verbessert die Bodenstruktur und macht Böden widerstandsfähiger gegen Trockenheit. Humusreiche Böden sind CO2 Speicher.

Backgroundinformationen

Agrarwissenschaftler und Bodenexperte Prof. Dr. Bernhard Freyer ist Leiter des Instituts für Ökologischen Landbau an der Universität für Bodenkultur (BOKU), Wien. Er beschäftigt sich schon seit seinem Studium mit dem ökologischen Landbau und dessen positiven Auswirkungen auf die Böden in Europa, in Afrika und in den USA. Zu seinen Forschungsfeldern zählen unter anderem Pflanzenbau, Agrarökologie, Biologischer Landbau, Entwicklungs-zusammenarbeit, Innovationsforschung, Umweltsoziologie. Spezialgebiete sind Betriebsumstellungen auf Biolandbau, Fruchtfolgemanagement, Inter- und Transdisziplinäre Systemforschung im Stadt-Landkontext.

Unsere Böden werden von den agrarindustriellen Produktionssystemen ausgebeutet, ausgelaugt, verdichtet, dann mit Hilfe chemischer Dünger künstlich wieder aufgepeppt, damit sie uns weiter Nahrung liefern können, so der Experte. Alles störende Beikraut und Insekten haben unter der Pestiziddusche keine Chance. Dafür zahlen wir einen hohen Preis bis hin zur Degradation und Desertifikation von Böden.



Wo liegen heute die größten Herausforderungen in Bezug auf die Ressource Boden, Prof. Dr. Freyer?

Bis heute gibt es keine Vorgaben im Rahmen der ökologisch motivierten Direktzahlungen, die Fruchtfolgen so zu gestalten, dass wir die Bodenfruchtbarkeit nachhaltig steigern. Das ist ein großes Versäumnis und ein enormer Fehler vonseiten der Politik. Über Umlagen bei den Direktzahlungen ließe sich das entsprechend steuern. Und wir hätten viel gewonnen. Für eine gesunde Bodenbewirtschaftung braucht es circa 15 % Klee oder Luzerne in der Fruchtfolge. Auch Betriebe ohne Viehhaltung können diese verwerten, ob als Verkauf von Futter, zum Beispiel im Rahmen überbetrieblicher Zusammenarbeit, für die Saatgutproduktion oder aber Teile des Aufwuchses als Gründünger. Die positiven Begleiteffekte sind eine Zunahme der Bodenfruchtbarkeit, ein geringerer Bedarf an Stickstoff-Mineraldüngern, geringerer Unkrautdruck und geringere bis keine Erosion. Hätte man beizeiten reagiert, stünde die Landwirtschaft nicht als der große Klimasünder da. Heute, unter den sich nun zeigenden Veränderungen des Klimas, reicht das nicht mehr aus. Wir brauchen zusätzlich in vielen Regionen der Erde Agro-Forstsysteme, um die Böden zu stabilisieren beziehungsweise zu sanieren. All das ist hinlänglich bekannt, wird jedoch außer von Bio-Bauern selten umgesetzt.



Welche positiven Auswirkungen hat Bio-Landwirtschaft auf den Boden?

Die wichtigsten positiven Wirkungen der ökologischen Wirtschaftsweise sind der höhere Humusgehalt, die Aggregatstabilität der Bodenkrume, die Bodenlebewesen Lebensraum bietet. Die Wasserinfiltration, die Möglichkeit, dass Wasser in den Boden eindringt sowie das Wasserhaltevermögen sind bei Bio-Böden vergleichsweise höher. Das ist nicht nur wichtig für die Pflanzen, denen das Wasser längerfristig zur Verfügung gestellt werden kann, sondern auch für die Nährstoffspeicherfähigkeit von Böden. Nährstoffe  werden nicht ausgewaschen, sondern stehen den Pflanzen zur Verfügung und können vom Boden nachgeliefert werden. Ein großer Vorteil des Ökolandbaus im Hinblick auf die Böden ist die höhere mikrobielle Aktivität und Diversität der Bodenlebewesen, welche zur Nährstoffverfügbarkeit beitragen und eine Pflanzenschutzfunktion übernehmen.


Bio-Landbau hält den Boden fruchtbar und baut neuen fruchtbaren Boden auf - das ist nicht nur in unseren Breiten wichtig, sondern vor allem auch in den Ländern des globalen Südens. Kann biologische Bodenpflege helfen, die SDGs (Sustainable Development Goals) schneller zu erreichen und wenn ja, welche?

Biologische Bewirtschaftung verhindert, dass die Böden erodieren. Zusammen mit der höheren Wasserhaltefähigkeit, sind das die zwei wesentlichen Funktionen, die bei Wetterextremen das Schlimmste vermeiden können – zum Beispiel den Abtrag der fruchtbaren, mineralstoff- reichen oberen Bodenschicht. Diese Effekte sind natürlich auch in Ländern des Südens von erheblicher Bedeutung. Dazu kommt, dass die Reduktion kostenintensiver betrieblicher Inputs wie Mineraldünger und Pestizide, auch bei geringer Liquidität der Betriebe, Landwirtschaft ermöglichen kann. Die Nachhaltigkeit der Produktion, gesunde Lebensmittel und klimaschonender Anbau sprechen für sich und tangieren diverse SDGs im positiven Sinn - hier geht es immer um Komplexwirkungen.



Was müssen wir tun, um den Öko-Landbau schneller und weltweit auszudehnen - kann die konventionelle Landwirtschaft vom Bio-Landbau lernen?

Die gesamte Agrarforschung, Förderpolitik, Bildung und Medien müssen neu ausgerichtet werden. Auch die Weltbank als wichtiger Geldgeber, müsste ihre Richtlinien überarbeiten, diese an ökologische Vorgaben binden und bei Einhaltung stärker fördern, um Anreize zu schaffen. Es muss vor allem rasch mit alten Klischees aufgeräumt werden und künftig auf ökologischer Agrarforschung basierte Anbausysteme gefördert werden, welche in der Lage sind, die kaputten Systeme zu sanieren und gleichzeitig von Grund auf systemwidrige Praktiken mit einem hohen Risikofaktor ausschließen. Ganz konkret:  Biodiversität fördert Bodenfruchtbarkeit, reduziert Beikraut und Krankheitsdruck, stoppt Erosion, erhöht Wasserverfügbarkeit, trägt zu Schadensminimierung und gesunden Lebensmitteln bei.


Hat die Erhaltung von Boden für Sie auch eine ethische und soziale Komponente? 

Nun, hier fängt ja alles an - und die Ausrichtung unseres Lebensstils ist dann die resultierende Variable einer ethischen und sozialen Grundhaltung, die eben nichts anderes sein kann als der Ausstieg aus dem derzeitigen Agrar-, Ernährungs- und Gesundheitssystem. Werden wir dann verhungern? Ganz sicher nicht - denn das heutige Agrar- und Ernährungssystem ist über die Maßen ineffizient, was die Mengenversorgung anbetrifft. Änderungen in der Landwirtschaft und Ernährung allein reichen nicht aus - eine Vielzahl von Industrien sind stillzulegen und neue zu etablieren. Innovationsfähigkeit ist ja vorhanden, daran mangelt es nicht. Die Beziehung zwischen Ethik, Sozialem sowie der Land- und Ernährungswirtschaft ist verfahren, völlig aus den Fugen geraten. Das Regelwerk, in dem wir eingebettet sind, steht einer sozialen und ethisch fundierten Umorientierung im Weg. Wir folgen Stereotypen einer neoliberalen Logik, die längst von der Wirklichkeit überrollt sind, das ist ein System von gestern, es ist „müde“, „ausgebrannt“ und fehleranfällig und in vielen Fällen steht es im Widerspruch zu den SDG-Vorgaben.

Die Folgekosten falscher Landnutzung lassen sich kaum mehr ökonomisch bilanzieren, sie sind gigantisch, aber sie werden bis heute verschwiegen. Der Einfachheit und Bequemlichkeit halber werden diese aus den Bilanzen herausgehalten. Das holt uns aber ein, denn die Ressourcen sind nun mal endlich. Investitionskosten für eine Neuausrichtung sind von der Gesellschaft insgesamt zu übernehmen und nicht nur seitens der Landwirtschaft. Das Prinzip Verantwortung ist neu zu denken. Das umfassende Problem - die Liste an Reparaturen des landwirtschaftlichen und des Ernährungssystems und damit gekoppelten Gesundheitssystems ist unüberschaubar - ein globaler Sanierungsfall. Denn: „Es gibt kein richtiges Leben im Falschen …“ (Th. W. Adorno). 


Das Interview führte Karin Heinze, BiO Reporter International


Vita, Univ. Prof. Dr. agr. biol. Bernhard Freyer

Geboren 11.08.1958 in Stuttgart

Studium der Agrarbiologie an der Universität Hohenheim

Seit 1998 ordentlicher Professor am Institut für Ökologischen Landbau (IfÖL) an der Universität für Bodenkultur in Wien (BOKU)Head of IfÖL, University of Natural Resources and Life Sciences, Department of Sustainable Agricultural Systems (Department für Nachhaltige Agrarsysteme) Division of Organic Farming (IfÖL)Working Group Transdisciplinary Systems ResearchSenior Fellow Minnesota Institute for Sustainable Agriculture, University of Minnesota

Wissenschaftliche Forschung: 

Ackerbau; Pflanzenbau; Agrarökologie; Biologischer Landbau; Entwicklungszusammenarbeit; Innovationsforschung; Empirische Sozialforschung; Ethik und Sozialwissenschaften; Umweltsoziologie; usw.

Zahlreiche Mitgliedschaften in wissenschaftlichen Gremien

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