Die Redner auf der Veranstaltung "GVO-freies Europa 2022" am 17. November 2022 im Europäischen Parlament waren sich sehr einig und formulierten klar, dass es die Vorschläge zur Neuen Gentechnik zu verhindern gelte. Die Konferenz machte deutlich, dass eine klare GVO-Kennzeichnung elementar für die Existenz der Bio-Branche wie für Wahlfreiheit entlang der gesamten Wertschöpfungskette ist. Die Veranstalter, IFOAM Organics Europe, Die Grünen/EFA im EU-Parlament und die Organisation Save our Seeds hatten zahlreiche Sprecher aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik eingeladen, die ihre Erkenntnisse und kritischen Einschätzungen zu den NGTs (New Genomics Techniques) vortrugen. ). Eine Vertreterin der EU-Kommission der DG Sante stellte Grundzüge und den Status Quo zur Deregulierung des bestehenden Gentechnikrechts vor.
Konferenz für ein GVO-freies Europa 2022 im EU-Parlament
Wahlfreiheit muss erhalten bleiben
In seiner Begrüßung betonte der Gastgeber und grüner EU-Parlamentarier Martin Häusling (im Bild vorne rechts) die Wichtigkeit der Konferenz: "Wir müssen nächstes Frühjahr, wenn die Kommission ihre Vorschläge zur Deregulierung der Gentechnik-Gesetzes unterbreiten will, vorbereitet sein.“ Denn eine klare GVO-Kennzeichnung und damit die Wahlfreiheit müsse erhalten bleiben. Wie berichtet, ist zu befürchten, dass eine geänderte Regelung zu neuen Genomtechniken (NGTs) das geltende EU-Gentechnikrecht aufweicht, Vorsorgeprinzip, Risikoprüfung und Kennzeichnung für die NGTs aufhebt, womit de facto die Wahlfreiheit für Produkte vom Saatgut bis zum Lebensmittel im Regal, in denen "Neue Gentechnik" steckt, wegfallen würde.
Die 9. Konferenz Gentechnikfreier Regionen hat in ihrer Berliner Erklärung 2018 festgehalten: Wir wollen betonen, dass - im Einklang mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs - die Regulierung aller GVO und gentechnischen Verfahren einer vorsorglichen Risikobewertung und transparenten Genehmigungsverfahren sowie Kennzeichnungs- und Rückverfolgungspflichten nach dem GVO-Recht unterliegen.
Studie: NGTs schneiden schlecht gegenüber bewährten agrarökologischen Methoden ab
Dr. Eva Gelinsky, Mitglied der Schweizer Ethikkommission für Biotechnologie erklärte in ihrem Redebeitrag, dass für die so dringend benötigten Lösungen gegen die verheerenden Effekte des Klimawandels auf die Landwirtschaft, Gentechnik keine Lösungen biete. Eigenschaften der Pflanzen wie Trockenresistenz seien so komplex in der Pflanzen-DNA verankert, dass auch die NGTs kurz- bis mittelfristig dafür Lösungen bieten könnte. Bestehende agrarökologische Ansätze wie heterogene Pflanzenpopulationen und Mischkulturen würden viel erfolgversprechender sein . Das ist auch das Ergebnis eines aktuellen Reports der Schweizer Ethikkommission. Martin Häusling kommentiert: „Es ist ein Märchen, dass wir über Gentechnik schädlingsresistente oder klimaresiliente Pflanzen erhalten, dafür ist das Erbgut zu komplex.“
Wissenschaftler einig über hohes Risikopotenzial der NGTs
Dr. Christoph Then (Foto), Testbiotech, führte drastische Beispiele aus der Anwendungspraxis mit NGTs an, bei denen negative Effekte der genveränderten Maßnahmen auf Gesundheit und Umwelt schlicht übersehen werden. So behauptete die Gentechnik-Lobby sogar, neue Gentechnik wäre quasi natürlich. Dennoch würden hunderte Patente auf diese Veränderungen angemeldet. Das sei ein klarer Widerspruch in der Argumentation und entlarve die Absichten.
Dr. Margret Engelhard vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) erläuterte ebenfalls die Komplexität des Systems und betonte außerdem die rasante Entwicklung. Es werde viel experimentiert: „CRISPR Cas ist nicht gleich CRISPR Cas“. Und weiter warnte sie: „Es kommt nicht darauf an, ob es sich um pflanzeneigene Genveränderungen handelt oder pflanzenfremde Gene, denn Familiarität schließt keine Risiken aus!“ Die Frage der Risiken und unvorhersehbarer Konsequenzen sei die Schlüsselfrage für die Forschung des BfN.
Wirtschaft und Handel: Gentechnik verkauft sich nicht!
„GMO´s don´t sell!“ Auf diesen kurzen Nenner brachte es Dr. Heike Moldenhauer, Generalsekretärin des Europäischen Verband der GVO-freien Industrie (ENGA). „Der Nahrungsmittelsektor ist klar gegen die Deregulierung für neue Gentechnik und die Mehrheit der Verbraucher will keine GVO veränderten Lebensmittel kaufen. Es kann nicht sein, dass der
Heike Moldenhauer und Jan Plagge
Lebensmittelsektor die Risiken der Deregulierung tragen muss!“, so die Expertin. Das „Ohne Gentechnik Label“ der Nahrungsmittelindustrie ist überaus erfolgreich und setzt allein in Deutschland jährlich Lebensmittel im Wert von 13 Millionen Euro um.
Auch weitere Vertreter des Handels wie Fabrizio Fabbri, eurocoop, einer europäischen Handelsmacht sowie Jörg Rohwedder von der länderübergreifenden Verbraucherschutzorganisation Food Watch gaben ganz klare Statements gegen eine Deregulierung des europäischen Gentechnikrechts ab und forderten die Beibehaltung der aktuellen und vom EuGH bestätigten Gesetzgebung mit Risikoprüfung und Kennzeichnung.
Eindrücklich schilderte Frau T. Loftgard aus Kanada welche einschneidenden wirtschaftlichen Auswirkungen der Einzug gentechnisch veränderten Saatguts und von GVO Endprodukten hat. Japan und Korea beispielsweise haben ganze Containerladungen mit GVO-kontaminierten Produkten zurückgeschickt und deren Annahme verweigert. Der Export sei eingebrochen, das der Handel von GVO-Produkten kaum möglich ist.
Politik, Verbände und NGOs: Nein zur Deregulierung
Jan Plagge, Präsident von IFOAM und Bioland sprach als Vertreter der Biobranche: „Das Vorsorgeprinzip ist ein Eckpfeiler der europäischen Gesetzgebung.“ Das müsse selbstverständlich auch in Zukunft so bleiben: „Wir brauchen Risikoabschätzung und Kennzeichnung für neue GVO genau wie für alte, um nicht die gesamte Bio-Branche in Europa zu gefährden“, erklärte er wie bereits zahlreiche andere Sprecher. Er ging jedoch noch auf einen anderen wichtigen Aspekt ein: „Die guten Ziele der Farm-to-Fork Strategie können mit Deregulierung nicht erreicht werden. Denn die Deregulierung der Gesetzgebung würde dem Biolandbau die Grundlage entziehen, wie soll er da ausgebaut werden?“ Im Gegensatz zu den mit hohen, unvorhersehbaren Risiken behafteten NGTs, die auch vom Europäischen Gerichtshof als zu regulierende GVOs erkannt wurden, biete der ökologische Landbau ein bewährtes, ganzheitliches Produktionssystem, dass Klima, Umwelt, Natur im Blick habe und ein nachhaltiges Erreichen der Farm-to-Fork Strategie möglich mache.
Profiteure einer Deregulierung
In dieselbe Kerbe schlugen auch Nina Holland von Corporate Europe und EU-Abgeordnete Maria Arena. Nina Holland: Der Kommissionsvorschlag zur Deregulierung dient keinesfalls dem European Green Deal, denn es würden ausschließlich die Agrochemie Konzerne vom „Greenwashing“ der NGTs profitieren, die jetzt bereits ein Drittel ihrer Profite mit hochgefährlichen Pestiziden machen. „Sie haben mit Sicherheit nicht die Absicht ihre lukratives Geschäftsmodell aufzugeben.“
Maria Arena (Foto) ging auf Gründe für den Vorschlag der Kommission ein. Es gebe immensen Druck auf die Kommission, NGTs als Schlüsseltechnologie für die Ernährungssicherung in Zeiten des Klimawandels zu akzeptieren. „Das ist absurd, solche Argumente von Lobbyisten zu hören, deren Industrie verantwortlich ist für Umweltschäden und den Verlust der Biodiversität.“
Die Vertreterin der Kommission DG Sante, Frau C. Bury (Foto) erklärte in ihrem Statement genau das, es gebe Hinweise darauf, das NGTs Nachhaltigkeit fördern und die Industrie eine Anzahl von Produkten in Entwicklung habe. Sie gab zu, dass ein gewisser Druck da sei. Man wolle jedoch weder die Wahlfreiheit der Konsumenten noch die Bio-Branche gefährden. Es könne keine Pauschallösungen geben, man verlasse sich auf die wissenschaftliche Expertise der EFSA. Die in der Vergangenheit schon verschiedentlich Entscheidungen zugunsten der Gentechnik- bzw Pestizid Industrie gefällt hat - Stichwort Glyphosat. (Kommentar der Autorin)
Fazit: Eine wichtige Veranstaltung, bei der alle Argumente gegen eine Deregulierung aufseiten der eines breiten Bündnisses aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft lagen.
Autorin: Karin Heinze
Comments