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Up-date Glyphosat-Zulassung: Intransparent und untragbar - 1. Abstimmung setzt wichtiges Signal

Aktualisiert: 13. Okt. 2023

Im Ständigen Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebens- und Futtermittel (SCoPAFF) kam am 13.10.2023. nicht die erforderliche qualifizierte Mehrheit zusammen, um die von der Kommission vorgeschlagene Verlängerung der Verwendung von Glyphosat um zehn Jahre zu genehmigen. „Die heutige Abstimmung ist ein wichtiger Etappensieg für das vollständige Verbot dieses hochpotenten Gifts und ein klares Signal an die Kommission. Das Milliardengeschäft der Agrarchemie darf nicht über der Gesundheit und Sicherheit von Mensch, Natur und Landwirten gestellt werden", so Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament und Mitglied des Umwelt- und Gesundheitsausschusses. Die Grünen/EFA-Fraktion fordert jene Mitgliedstaaten zum Kurshalten auf, die sich gegen den Kommissionsvorschlag ausgesprochen haben. Ein vollständiges Verbot von Glyphosat sei geboten.

Foto WIX

Die Glyphosat-Verlängerung ist noch nicht vom Tisch

Noch ist das letzte Wort nicht gesprochen, weitere Abstimmungen in verschiedenen EU-Gremien folgen und es kommt darauf an, dass es keine Never-ending Story durch weitere Varianten des Vorschlags oder die Verlagerung in den Berufungs- und Beschwerdeausschuss gibt. Wenn keine Einigung zustande kommt, kann die Kommission von sich aus tätig werden und die Glyphosat-Verlängerung ohne die Zustimmung des SCoPAFF durchsetzen.

"Besser wäre es, im Sinne von Artenvielfalt und Gesundheit zu entscheiden und die Verlängerung jetzt komplett vom Tisch zu nehmen.“ Martin Häusling

Zahlreiche wissenschaftliche Studien rechtfertigen die Sorgen von Millionen EU-Bürgern, die ein Ende für Glyphosat fordern, aber bislang von der Kommission ignoriert werden. Die erneute Zulassung dieses Pestizids würde angesichts des Artensterbens völlig aus der Zeit fallen, erklärt Häusling. Pestizide tragen an der Biodiversitätskrise eine erhebliche Mitschuld und sollten soweit möglich verboten werden. Eine Verlängerung der Zulassung spräche dieser Erkenntnis Hohn und torpedierte außerdem die Ziele der EU-Biodiversitätsstrategie!

Grafik: CagleCartoon

Die Vernunft sollte siegen - Chronologie des Glyphosat-Dramas

Die Zulassung für das hochumstrittene und nachweislich Mensch und Natur schädigende Pestizid Glyphosat soll um 10 Jahre verlängert werden. Dieser kürzlich offenbarte Überraschungscoup der EU-Kommission stieß auf erheblichen Widerspruch und löste so viel Protest aus, dass die Kommission eine Überarbeitung versprach. Doch erwarten Insider keine Kehrtwende, sondern eine unverantwortliche Verlängerung der Zulassung des Giftes. Das seit Jahren dramatische Ringen um das Ackergift Glyphosat geht weiter und ist an Intransparenz vonseiten der EU-zuständigen Behörde zur Bewertung EFSA kaum zu überbieten. Trotz vielfach nachgewiesener Risiken für die menschliche Gesundheit und katastrophaler Auswirkungen auf die Umwelt, wird sich voraussichtlich eine Mehrheit für die Verlängerung der Zulassung finden. „Politische Verantwortung und Einhaltung des nach den EU-Regularien gebotenen Vorsorgeprinzips gehen anders!" (Martin Häusling, MEP)


Vor einem Jahr, im Oktober 2022 stimmte der Ständige Ausschuss der Europäischen Kommission über eine mögliche Verlängerung von Glyphosat ab. Das unbefriedigende Ergebnis: Keine Stellungnahme, da keine eindeutige Mehrheit zustande kam. Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen und Mitglied im Umwelt- und Gesundheitsausschuss des Europäischen Parlaments erklärte damals: „Glyphosat ist ein giftiges Pestizid, das besser heute als morgen von unseren Äckern und Tellern verschwinden sollte. Es ist schwer zu ertragen, dass die Industrie nun eine Verlängerung um ein weiteres Jahr bekommt, weil sie nicht von Anfang an alle Daten zur Verfügung gestellt hat. An der EU-weiten Verlängerung von Glyphosat bis Ende 2023 führt, trotz der fehlenden Mehrheit im zuständigen Ausschuss der Mitgliedstaaten, kein Weg mehr vorbei, da das entscheidende Gutachten der Europäischen Agentur für Lebensmittelsicherheit, EFSA, noch nicht vorliegt." Häusling kommentierte damals zuversichtlich: „Gut ist allerdings, dass die EFSA ihre Sache ernst nimmt und eine gründliche Bewertung von Glyphosat vornimmt. Dabei müssen auch die katastrophalen Auswirkungen auf die Artenvielfalt mit einbezogen werden.

Ich zähle darauf, dass das EFSA-Gutachten aufzeigt, dass Glyphosat nach 2023 nicht weiter verlängert werden darf. Die Vernunft sollte siegen.“ Martin Häusling

Foto WIX

Enttäuschte Hoffnung

Sommer 2023: Erneuter Anlauf der EU-Gremien um die weitere Zulassung des von der WHO als wahrscheinlich krebserregend eingestuften Pestizids. Anfang Juli stellte die Europäische Agentur für Lebensmittelsicherheit, EFSA ihre Bewertung vor und sorgte für große Überraschung bzw. Empörung und Unverständnis, denn, „es wirkt so als hätte man einfach die Bewertung von 2017 kopiert", so Martin Häusling. Glyphosat Unbedenklichkeit zu attestieren, erfordere entweder ein Lesen mit Augenklappen oder ein Ignorieren wesentlicher Studien. Letzteres sei ein Dauerproblem dieser Behörde. „Das, was hier als Bewertung abgegeben wird, ist einer sorgfältigen Risikobewertung nicht angemessen und würde wissenschaftlich gesehen an keiner weltweiten Fakultät auch nur als Masterarbeit durchgehen", kommentiert Häusling.


Nach einer Anhörung Anfang Oktober erklärt Häusling:

„Wie man es auch dreht und wendet: Glyphosat bleibt ein hochpotentes Gift, das vom Markt genommen werden muss. Die beabsichtigte Verlängerung der Genehmigung wäre auch mit weiteren Nachbesserungen ein fauler und untragbarer Kompromiss zulasten von Mensch, Natur und Landwirten und nicht zustimmungsfähig."

Was die Kommission sich hier leiste, sei ein Schlag ins Gesicht all jener, die sich für eine gesunde Umwelt einsetzen. Es verhöhne die berechtigten Sorgen und Ängste der Menschen angesichts von Umweltgiften und Verlust der Artenvielfalt. Politische Verantwortung und Einhaltung des nach den EU-Regularien gebotenen Vorsorgeprinzips gehe anders!


Abenteuerliche Schlussfolgerungen auf intransparenter Datenbasis

Auch sei die Kommission der Öffentlichkeit eine schlüssige Erklärung schuldig, wie sie zu der abenteuerlichen Schlussfolgerung gekommen ist, das Mittel überhaupt weiter zuzulassen und die weitere Genehmigung nicht zu versagen. Die massiven Datenlücken der EFSA machten die Absicht der Kommission völlig unverständlich und geradezu fahrlässig. Die EFSA habe nach wie vor keine eigenen Untersuchungen vorgelegt, sondern verlasse sich auf Industriestudien. "Die bekannten Schädigungen von Böden, Gewässern und Mikrobiom dürfen jedoch nicht ignoriert werden. Sollte es zu einer weiteren Zulassung für die EU kommen, müssen die nationalen Regierungen eine absolute restriktive Auslegung

Blühender Samenträger Porree (Foto Karin Heinze) praktizieren", fordert Häusling.

Dass es auch ohne Glyphosat geht, zeigten jedes Jahr Hundertausende Bio-Betriebe - mit vernünftiger Fruchtfolge und einem guten Bodenmanagement, sagt Häusling der selbst Bio-Bauer ist.


Nachweislich hochgefährlich

Seit der letzten Bewertung von Glyphosat durch die EFSA, 2017, seien zig neue Untersuchungen und Veröffentlichungen zu Glyphosat hinzugekommen, die klar zeigen, dass Glyphosat gefährlich ist, erklärt Häusling. Für die Artenvielfalt, für Insekten und Bodenorganismen, für das menschliche Mikrobiom, für die embryonale Entwicklung, ja sogar direkt die Hirnschranke kann es überwinden und Schaden anrichten. Wissenschaftler*innen der Universität von Arizona haben 2022 erstmals im Tierversuch gezeigt, dass Glyphosat dort in den Stoffwechsel von Botenstoffen auf eine Art und Weise eingreifen kann, die Krankheiten wie Alzheimer begünstigen könne.

Die aktuelle Bewertung nimmt die Gesundheit der Anwender und Konsumenten nicht ernst genug und wirkt fahrlässig in Bezug auf die Biodiversitäts-Strategie. Martin Häusling

Pestizid-Experten des BUND listen die Risiken von Glyphosat für die menschliche Gesundheit auf:

  • Glyphosat ist laut WHO wahrscheinlich krebserregend beim Menschen.

  • Glyphosat kann das Nervensystem schädigen.

  • Glyphosat kann das Mikrobiom im Darm beeinflussen.

  • Glyphosat kann oxidativen Stress verursachen.

  • Glyphosat-Rückstände können in zahlreichen Lebensmitteln, im Wasser, in der

  • Luft und sogar im menschlichen Körper nachgewiesen werden.


Autorin: Karin Heinze, BiO Reporter International


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